Neue Musik

Dorrit Bauerecker |

One Woman Band

Text: Stefan Pieper

Köln, 15.05.2021 | Freie Improvisation? Neue Musik? Jenseits aller Schubladen versteht sich die Kölner Pianistin, Akkordeonisten (etc.) Dorrit Bauerecker vor allem als interdisziplinäre Performerin. Davon zeugt auch ihre exquisite aktuelle CD-Produktion auf dem Kaleidos-Label.

Bauerecker, die sich seit vielen Jahren von der aufgeweckten Kölner Musikszene anregen lässt, spielt hier alle Instrumente selbst. Und ja - dieser „Experimental Music Circus“ - so der Untertitel - gestaltet sich beim Hören dieser CD kurzweilig und unterhaltsam, eben, weil hier unkonventionelle Ansätze in fröhliche Koexistenz miteinander treten.

Moritz Eggerts Kompositionen „One Man Band“, „One Woman Band“ und „Dual Band“ ziehen sich wie ein roter Faden durch diese CD. Mit spielzeughaften, zugleich tonal raffiniert gesetzten Texturen - allein, weil die grelle Klanglichkeit eines ausgiebig zum Einsatz kommenden „Toy-Pianos“ so etwas hervor bringt. Dorrit Bauerecker agiert mit beherzter Spiellust auf jeden, zum Einsatz kommenden Klangerzeuger. Zugleich wirkt alles ausgesprochen ausformuliert und nie beliebig. Da kommt auch mal die Stimme zum Einsatz und es wird gepfiffen. Mächtige pianistische Zwischenspiele funken dazwischen und zeugen von Bauereggers bestechendem Potenzial auf den Tasten. Pentatoische Tonfolgen nehmen irrwitzige Fahrt auf - und schon streut wieder die Mundharmonika eine Art „Kinderlied-Melodie“ dazwischen. Noch greller in seiner Effekt-Dramaturgie, vor allem wegen Dorrit Bauereckers kompromisslosem Stimmeinsatz, kommt das zweite Stück „One Woman Band“ daher. Im Dritten Stück „Dual Band“ braucht Dorrit Bauerecker dann doch mal Assistenz durch den Komponisten Moritz Eggert, denn dieser Flügel will auf den Tasten und in seinem Inneren zugleich bespielt sein.

Sehr gut gelungen ist überdies, wie die einzelnen Stücke unterschiedliche Perspektiven einnehmen: Niklas Seidles Klang- und Wortcollage „Gichtgriffel und Achterbeene“ macht Feldforschungen aus heutiger sozialer Wirklichkeit zum kompositorischen Material. Oder anders formuliert: Was kann passieren, wenn Dorit Baueregger mit ihrem Akkordeon unter Leute geht, vielleicht eben auch unter solche, die eben nicht auf der Gewinnerseite des Lebens stehen? Zu Wort kommen obdachlose Menschen, die, am Rande der Livestyle-Metropole Hamburg leben, erschütternde Selbstauskünfte aus ihrem Alltag geben.

Im Folgenden mischt sich Dorrit Bauerecker als Konzertpianistin ein. Ihre „Interpretation“ von Jean-Philippe Rameaus „La Poule“ wirkt wie ein Kommentar aus ferner Vergangenheit, dem es durch Bauereckers eigenwillige Akzentuierung aber auch nicht an einer Prise Ironie mangelt. Keine These ohne Antithese - das trifft umso mehr auf diese originelle Bestandsaufnahme musikalisccher Möglichkeiten zu: „Gfätterle“ von Oxana Omelchuk wirkt wie eine stationäre Ambient-Musik, in der Akkordeon, Keyboard und Melodica sämtliche Verändungsprozesse an nur einem einzigen, über 12 Minuten andauernden Ton durchexerzieren. Im Gegensatz dazu wird in Julia Wolfes „East Broadway“ dann noch einmal der musikalische Spielzeugladen aufgemischt , wenn das Toy Piano und eine „Toy-Boombox“, die so ählich wie ein Gameboy aus den 1980er Jahren klingt, um die Wette grooven.

Fazit: Musik ist immer ganz viele. Und Dorrit Baueregger nimmt uns auf dieser CD in ein spannendes Labyrinth aus Assoziationsräumen mit.

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