Festival, international

Der Schweizer Jazz tönt spannend |

34. Schaffhauser Jazzfestival

Text: Christoph Giese | Fotos: Peter Pfister

Zürich, 19.05.2023 | >Der Schweizer Jazz tönt spannend I

34. Schaffhauser Jazzfestival

Text: Christoph Giese / Fotos: Peter Pfister

Schaffhausen, 15.05.2023 │ Der Fokus liegt auf dem Schweizer Jazz. Das allein macht dieses Festival schon so interessant. Dass es auch noch vorzüglich organisiert ist, die Hauptspielstätte, das Kulturzentrum Kammgarn, ein angenehmer Ort zum Verweilen und Schaffhausen zudem eine hübsche Stadt, das alles macht die Reise an die deutsch-schweizerische Grenze mehr als lohnenswert.

Und die Macher trauen sich was. Platzieren etwa am Eröffnungsabend im Stadttheater das Berner Duo Bureau Bureau direkt vor dem sinfonischen Programm „Clazz“ des Bassisten und Komponisten Luca Sisera aus Chur. Zunächst die Performance aus Spoken-Word, Gesang und diversem Schlagwerk von Vokalistin Sonia Loenne und Drummer Michael Cina. Die sparen nicht mit Gesellschaftskritik, liefern einen anarchistischen Auftritt, kräftig gegen Hörgewohnheiten gebürstet. Muss man mögen. Das fällt bei „Clazz“, einem Werk zwischen Jazz und Klassik, geschrieben für Siseras Jazzquintett Roofer und den rund 50 Musikern der Kammerphilharmonie Graubünden, viel leichter. Denn die gebotene Musik offeriert Wohlklang in fünf Sätzen, feine Kombinationen von opulenten, bisweilen hymnischen Orchesterklängen und darin eingebetteter Jazzband. Dieses zugängliche großorchestrale Werk – welch ein Kontrast zu dem strubbeligen Duo direkt davor.

Aufmerksam lauscht das Publikum

Ganz allein am Konzertflügel verzaubert am nächsten Tag der Pianist Yannick Délez das immer sehr aufmerksam lauschende Schaffhauser Publikum. Wer den Tastenkünstler aus Lausanne live erlebt, fragt sich warum der Mann noch immer ein wenig unter dem Radar der großen Bekanntheit agiert. Denn fesseln kann er mit seinen impressionistischen Klangmalereien, mit seiner perlenden Kammermusik der sensiblen Art, die aber durchaus auch mit intensiven Läufen beeindruckt. Intensiv war auf jeden Fall auch der Auftritt des Trios des schweizerischen Tenorsaxofonisten Christoph Irniger mit dem holländischen Altsaxofonisten Ben van Gelder als Gast. Zwei starke Saxofonstimmen, die sich aneinander reiben, herrlich unisono miteinander können, aber auch jeweils allein mit dem fantastischen Rhythmusduo mit Bassist Raffaele Bossard und Ziv Ravitz den Kern von Jazzmusik neu zu definieren verstehen.

Auch Clemens Kuratle ist eine spannende Stimme des aktuellen Schweizer Jazz. Mit seinem Quintett Ydivide, zu dem mit dem Pianisten Elliot Galvin und der Altsaxofonistin Dee Byrne zwei Briten gehören, startet der aus Bern stammende Schlagzeuger das Konzert sehr freigeistig um dann aber fast schon konventionell weiterzumachen. Aber konventionell bedeutet bei dieser Band nie langweilig, denn die Beteiligten suchen ständig wieder nach kreativen Brüchen, spielen sich durch variierende Rhythmen, reißen zu viel Schönklang auf.

Ein geschmeidiges Chopin-Projekt

Sehr geschmeidig kommt das Chopin-Projekt des Schweizer Pianisten Jean-Paul Brodbeck und des US-Gitarristen Kurt Rosenwinkel rüber, das Chopin-Etüden, Preludien oder auch mal einen Walzer hoch virtuos in den Jazz überführt. Fürs Virtuose ist vor allem Rosenwinkel auf der E-Gitarre zuständig. Der bei diesem Festival viel beschäftigte Schweizer Bassist Lukas Traxel und der katalanische Drummer Jorge Rossy komplettieren die Band und sorgen für das Modern Jazz-Fundament.

Und dann ist da noch das Louis Matute Large Ensemble, das formidable Sextett des Genfer Gitarristen mit honduranischen Wurzeln, bestehend aus zwei vorzüglichen Bläsern, einen Wahnsinns-Pianisten, einem ganz starken Rhythmusduo an Bass und Schlagzeug und natürlich Matute selbst an der Stromgitarre. Der Rising Star der Schweizer Jazzszene hat sein aktuelles Album „Our Folklore“ betitelt. Aber davon sollte man sich nicht zum Denken in eine Richtung verführen lassen. Denn seine top zusammenspielende Truppe, die er mit seinem Gitarrenspiel wunderbar durch die Stücke leitet, kombiniert belebenden, mitreißenden, supergut gespielten modernen Jazz mit klischeefreien Latin-Elementen zu einer packenden Mischung, die runter geht wie Öl und in jedem Moment Spaß macht. Manchmal kann Gutes so einfach sein. Welche eine Entdeckung in Schaffhausen, wo es immer viel zu Entdecken gibt.

https://www.jazzfestival.ch/