Bochum, 31.01.2023 | Ein Stuhl, ein Mikro, eine Gitarre, das reichte für Claude Bourbon, der im Bochumer Kulturrat auftrat und mit seiner Musik die ganze Bühne, den ganzen Raum füllte. Hier haben schon viele gespielt in den letzten 35 Jahren, in denen der Kulturrat zahllose kulturelle Events durchgeführt hat.
Auf den ersten Blick erinnert Claude Bourbon mit seinen langen Haaren und seinem cowboyähnlichem Outfit vielleicht an einen Straßenmusiker, der schon länger unterwegs ist und sich mit seiner Musik durchschlägt. Doch Claude Bourbon ist ein hochvirtuoser Gitarrist mit einer klassischen Ausbildung, die in seiner Musik immer wieder zur Geltung kommt. In Portalier in Ostfrankreich wurde er vor ca. 60 Jahren geboren. Irgendwann ging er dann über die Grenze in die nahe Schweiz, wo er Musik studierte. Schon lange ist er in der ganzen Welt unterwegs, er wohnt in England und so singt er nun meistens englisch.
Das Konzert beginnt mit einem langen instrumentalen Solo im spanischen Stil. Dann beginnt Claude mit tiefer Stimme zu singen. Lässig auf dem Stuhl sitzend, mit dem linken Fuß wippend verwandelt er die hölzerne Bühne in einen Resonanzboden, der gleich einer Bassdrum den Takt vorgibt. Vor ihm auf der Bühne liegen drei Blätter mit einer langen Liste von Titeln, von denen er aber sicher nur einige spielen kann. Vieles entsteht erst beim Vortrag, so kann ein Stück auch mal 10 Minuten dauern.
Mal klingts nach Leonhard Cohen, öfter aber – wie bei After Midnight - nach J.J. Cale, den er besonders zu schätzen scheint. Viele andere Songs in diesem Stil gibt es, besonders im zweiten Set. Drifting Blues ist dabei, aber Blues spielt heute keine große Rolle. Schade, gerade auf den angekündigten ‚Medieval Blues’ hatte ich mich gefreut. Claudes Markenzeichen ist die Kombination von Genres. Rock, Klassik, Blues, spanische und orientalische Musik – alles kommt bei ihm vor, aber selten in Reinform. So mischt er gerne amerikanische Songs mit klassischer Musik. Beethovens ‚Für Elise‘ wird einmal am Ende eines Songs angedeutet, später innerhalb eines anderen Stücks länger zitiert und variiert, ebenso wie Mozarts Türkischer Marsch. Albinonis Adagio steht am Anfang eines anderen Stücks, aus dem dann in der Folge weitere hervor- und bruchlos ineinander übergehen.
Am besten gefallen mir die beiden letzten Stücke vor der Pause. Berino von seinem Album Cold River kündigt Claude als Eigenkomposition an, der Name steht für eine Stadt in New Mexico. Schon die ersten Töne verraten, dass hier erst mal St. James Infirmary gespielt wird, doch das ist nur der Anfang. Nach einem Solo in klassischem Stil entfesselt Claude ein Feuerwerk mit blitzschnellen Genrewechseln. Strophe – Refrain – Solo, all das ist kaum zu unterscheiden und kreiert einen Sound, der das Publikum begeistert.
Claude und seine Gitarre sind eng verbunden. ‚Embodiment’ nennt man das. Das Instrument ist ähnlich wie ein Körperteil neuronal präsent und wird nicht als fremd empfunden. Da muss man nicht draufgucken oder überlegen, welche Saite man wie anschlägt, alles kommt von innen heraus. Das ist schon eine hohe Kunst, die man erst nach langjähriger Musikpraxis beherrscht.
Claudes souveräner Umgang mit seinem Instrument zeigt sich auch bei Snowfall sur la prairie, wo er, endlich, auch mal französisch singt, recht humorvoll: „Les moutons continuent a paitre …“. Die Gitarre variiert in Tempo und Lautstärke, der Bass läuft als zweite Stimme mit durch. Claude ist wirklich ein Meister des ‚fingerstyle picking‘. Fingerstyle hoch 3, ein Plektrum ist da meist überflüssig. Zum Schluss zückt Claude sein Handy und fotografiert das Publikum. „That’s Rock’n Roll“, ruft er. Nein, es ist viel mehr!
Claude Bourbon ganz typisch - hier in einem anderen Konzert: After Midnight 2019