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All About Joel

International Holocaust Remembrance Day in der Bochumer Christuskirche

Bochum, 01.02.2024
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert

rev ‚All About Joel feat. Thomas Steinberg‘ - International Holocaust Remembrance Day in der Bochumer Christuskirche
Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar haben VVN-Vertreter bei einer Kundgebung in der Bochumer Innenstadt alle 597 Namen der jüdischen BochumerInnen vorgelesen, die 1942 deportiert und in den Lagern des NS-Regimes ermordet worden waren. Eine lautstarke Querdenker-Demo in der Nähe war dabei mit lauten Trommelwirbeln vorbeigezogen, sicher nicht zufällig. So etwas hatte es in den Jahren vorher noch nicht gegeben.
Später fand in der Christuskirche, der ‚Kirche der Kulturen‘, eine Veranstaltung statt: ‚All About Joel feat. Thomas Steinberg - Konzert zum Tag der Befreiung’. Bevor das Konzert begann, lasen nach einer kurzen Ansage Barbara Jessel (Bürgermeisterin Grüne), Thomas Steinberg (WDR) und Aysel Osmanoglu (GLS) noch einmal alle Namen der ermordeten Juden vor. 

All About Billy Joel – die Person

Was hat die Musik von Billy Joel mit Auschwitz zu tun?, könnte man sich fragen. “We’re all in the mood for a melody to forget life for a while” singt Billy Joel in ‚Piano Man‘. Was Billy Joel da vielleicht vergessen wollte, wird im ersten Redebeitrag deutlich. Joel kam 1949 fast genau 4 Jahre nach dem ‚Tag der Befreiung’ als Sohn jüdischer Eltern in New York auf die Welt, die nur knapp der nationalsozialistischen Verfolgung entgangen waren. Das hat ihn geprägt.
Billy Joel ist inzwischen ein weltweit bekannter Sänger, Pianist und Komponist, der schon 1973 mit dem Album ‚Piano Man’ reüssierte. Er trat auch oft in Deutschland auf, 1987 ging er als erster amerikanischer Rockstar in der Sowjetunion auf Tournee, ‚Leningrad‘ ist dabei entstanden. Das 1993 erschienene Album ‚River of Dreams‘ wurde ein großer Erfolg. Seit 2014 sind keine Studioalben mehr erschienen, da Joel meinte nun alles gesagt zu haben. Doch live ist er immer noch unterwegs.

All About Billy Joel  - Texte über die Familie Joel

Bei der Veranstaltung werden im Wechsel bekannte Stücke von Joel gespielt und Texte vorgelesen, die Thomas Wessel, der Pfarrer der Christuskirche, verfasst hat. Dafür war ursprünglich der Schauspieler Thomas Anzenhofer vorgesehen, der aber krankheitsbedingt ausfiel. WDR-Moderator Thomas Steinberg ist eingesprungen und liest nun diese Texte über das Leben der Familie Joel vor.

Billy Joels Eltern hatten in den 1920er Jahren in Nürnberg ihre kleine Schneiderei zu einem erfolgreichen Versandhandel ausgebaut. Da die Nazis schon früh aufgerufen hatten, nicht bei dem „Juden Joel, dem Blutsauger und Leuteschinder“ zu kaufen, konnte sich Josef Neckermann, Mitglied der SA seit 1933, den Versandhandel aneignen und darauf sein Imperium aufbauen. Billy Joels Familie konnte früh genug in die USA entkommen, das hat Billy Joel immer als ein Wunder angesehen. Auch er war von der ‚survival guilt‘ geprägt, dem schlechten Gewissen, den Holocaust überlebt zu haben.

Das Lied 'Leningrad' schrieb Joel, nachdem er auf seiner Russland-Tournee einen russischen Clown namens Victor Razinov kennengelernt hatte. Darin vergleicht er wichtige Zeitabschnitte aus Razinovs und seinem eigenen Leben. Razinov hatte seinen Vater während der Belagerung von Leningrad im Zweiten Weltkrieg verloren und wurde Soldat in der Roten Armee, trank viel Wodka, um seinen Schmerz zu lindern. So wie der russische Clown Kinder erfreute, tut Joel Ähnliches mit seiner Musik.

Manchmal erinnert Steinberg in der Lesung an den Überfall der Hamas vom 7. Oktober und setzt ihn in Beziehung zur nationalsozialistischen Verfolgung.

All About Joel – die Band

ALL ABOUT JOEL ist eine Bochumer Tribute-Band, die ausschließlich Stücke von Billy Joel spielt. Der Sänger Thomas Matiszik und der Keyboarder Marius Ader sind schon als Duo aufgetreten. Heute sind Michael Minholz (Gitarre), Jörg Budde (Sopran- und Tenorsaxofon), Stefan Turton (drums) und Maurizio de Matteis (Bass) dabei.
Mit ‚Piano Man‘ beginnt die Band. Erster Eindruck: chaotisch, denn die Anlage ist grottenschlecht ausgesteuert, dabei finden hier doch oft hochkarätige Konzerte der ‚urban urtyp‘ Reihe statt! Prägnant klingen nur Klavier und Schlagzeug, der Rest geht in einem lauten Gemisch dumpfer Töne unter, das Saxofon ist kaum zu hören, Texte sind kaum zu verstehen. Doch es geht ja um die Sache, denkt man vielleicht, und die Aussteuerung der Anlage verbessert sich im Laufe des Konzerts zusehends. Besonders überzeugt der Sänger Thomas Matiszik, der gar nicht erst versucht Billy Joel zu kopieren. Tribute - nicht Cover Band. Gerade weil der Sänger, anders als Joel, nicht Klavier spielt, kann er viel freier agieren und mehr Bühnenpräsenz entwickeln. Immer besser kann man auch die Texte verstehen.Viele berühmte Stücke sind zu hören, u.a. ‚Leningrad‘, ‚Vienna‘, ‚Honesty’ und ‚Lullabye‘.

Höhepunkt des Konzerts ist ‚New York State of Mind‘, das Joel zum Anschlag vom 9|11th komponiert hat. Dieses Stück, das sich stellenweise wie Bessie Smith’s ‚Nobody knows you when you‘re down and out’ anhört, ist der Höhepunkt des Konzerts. Fast wie eine Hymne klingt das Stück, die Band ist voll in Fahrt, ein virtuoses Saxofon-Solo, das ist Jazz in Reinform und es gibt einen Riesenapplaus.

Kampf gegen Rassismus geht weiter

2017 trug Billy Joel bei einem Konzert im New Yorker Madison Square Garden einen gelben Judenstern am Revers und auf der Rückseite seines Jacketts, wahrscheinlich als Reaktion auf die Ereignisse bei einer Kundgebung von Rechtsextremisten in Charlottesville. Dort war ein Rechtsradikaler mit seinem Auto in eine Gruppe friedlicher Demonstranten gerast und dabei eine Frau getötet. Trump hatte danach von „very fine people on both sides“ gesprochen.
Und so geht der Kampf gegen Rassismus weiter. Doch es ist dabei wichtig, aus der klassischen Opfer- und Anklägerrolle herauszukommen und zukunftsweisende Initiativen zu entwickeln. Die aktuellen riesigen Demonstrationen gegen die AFD sind da ein wichtiger Meilenstein, der allerdings bei dieser Veranstaltung kaum erwähnt und gewürdigt wurde.

Ein weiteres Konzert der Band findet am 16. März in der Leverkusener SCALA statt.


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