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Boris Bergmann

The Richter Scale

Berlin, 12.03.2024
TEXT: Stefan Pieper | 

Der Berliner Komponist und Pianist Boris Bergmann hat mit seinem Projekt "The Richter Scale" eine einzigartige und kraftvolle Klaviermusik geschaffen - vor allem markiert dieses neue Album einen Dialog zwischen Mensch und Maschine, wenn es hier ein physischer Spieler mit einem Steinway-Spirio, einem programmierten automatischen Player-Piano der neuesten Generation aufnimmt.

Inspiriert von seismografischen Ereignissen, also Erdbeben mit all seinen verheerenden Konsequenzen, macht sich Boris Bergmann hier nach eigenem Bekunden daran, Musik in Energie umzuwandeln und sie unter dem physikalischen Aspekt zu betrachten. Das Ergebnis ist ein kolossaler, immer perkussiver werdender Klangstrom, dessen dynamische Wucht schließlich eine sehr hohe Position auf der imaginären Richterskala erklingt.

Viel außermusikalische Reflexion hat dieses Projekt nach eigenem Bekunden genährt: So möchte er, dass die Hörer eine starke Verbindung zwischen Physik und Emotion spüren und eine emotionale Reise erleben. Die elf Stücke des Albums bilden dabei einen Episodenfilm, der von historischem Material über die Auswirkungen von Erdbeben inspiriert ist. Dabei geht es zunächst äußerst sensibel los, so dass es fast an John Cage oder Morton Feldman erinnert. Doch schnell wächst die "seismografische" Erschütterung immer weiter an, verdichtigen sich musikalische Texturen zu einer mächtigene, wirkungsstarken Dramaturgie, die dennoch sehr variantenreich, ja im besten Sinne feinsinnig bleibt und in der Bergmann auch viele Einflüsse aus neuen und älteren Musikstilistiken mit Weitblick vereint hat.

Wer es mit der Maschine aufnimmt, muss verdammt gut spielen können

Das Steinway Spirio, dieses Selbstspiel-Piano kam als Werkzeug für solche additiven Verfahren wie gerufen, ermöglichte es doch, die komponierten Parts aufzunehmen und immer wieder anzuhören, um sie weiterzuentwickeln und zu verbessern. Wer in diesem Dialog zwischen Mensch und Maschine letztlich die Oberhand behalten soll, bleibt Sache des eigenen Empfindens des Hörers. Denn zusätzlich zu den programmierten Parts, welche dieser automatisierte Flügel selber spielt, agiert der chinesische Pianist Ji Liu auf diesem Instrument live. Ihn hatte Boris Bergmann auserkoren, da er ihn als einen von wenigen für die immensen spieltechnischen Schwierigkeiten dieses Unterfangens für befähigt hält. Allein der Umgang mit ständig selbsttätig heruntergehenden Tasten ist Herausforderung genug.

"The Richter Scale" entfaltet beim Hören genug hypnotische Wirkung, dass man auch gerne an die Beatstrukturen elektronischer Musik denken mag - auch das ist kein Zufall. Vor der Einspielung dieses neuen Albums hatte Bergmann bereits Teile der Komposition an DJs und Technoproduzenten weitergegeben, die daraus erste "Pre-Mix"-Versionen entwickelt haben. Und auch weitere, neue „Remixe sind bereits aus diesem Projekt hervor gegangen. So definiert "The Richter Scale" die Verbindung zwischen Physik und Emotion immer wieder neu.

ALBUM

Boris Bergmann

The Richter Scale

heresy records 2023

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